Donnerstag, 21. August 2008

1968




© Milena Findeis (mit freundlicher Genehmigung)


© Milena Findeis (mit freundlicher Genehmigung)

Heute vor 40 Jahren, also am 21. August 1968, wurde die tschechoslowakische Reformbewegung von Panzern des Warschauer Paktes niedergewalzt. Die Bilder davon sind bekannt, und ich will hier keinen historischen Rückblick schreiben.

Für mich ging Anfang Juni ein Traum in Erfüllung. Ich traf beim 18. Prager Autorenfestival auf meinen Lieblings-Autor Paul Auster. Als Journalist akkreditiert wäre es mir leicht möglich gewesen, ein Gespräch mit ihm zu beginnen, doch ich entschied mich dagegen. Wenn ich schon einmal die Möglichkeit habe, an insgesamt drei Tagen auf meinen Lieblings-Autor zu treffen, dann will ich mich nicht als Journalist mit ihm unterhalten. Einige Redakteure liefen auf und ab, scherzten mit den Autorinnen und Autorinnen, als ob es für sie eine Selbstverständlichkeit wäre, im gleichen Fahrtwasser zu fischen. Ich sehe das nicht so. Ein Journalist ist dazu da, zu recherchieren, zu beobachten und zu beschreiben, was er sieht und erkennt. Die von Siri Hustvedt an einen selbstverliebten Journalisten überreichten Blumen sind so etwas wie ein Symbol für die Fragwürdigkeit der „Balance“ zwischen Autoren und Journalisten. Möglicherweise gab es ja Interviews oder lockere Zusammentreffen zwischen den beiden. Aber dann gleich die Weitergabe eines Geschenkes an einen Journalisten?

Ich beobachtete das Szenario, und Paul Auster war genau so, wie ich ihn mir vorstellte. Zurückhaltend, ruhig, kein Wort zuviel, ein ausgezeichneter Rezitator, Pazifist und nahm sich selbst nicht allzu wichtig. Eine gute Stunde saß ich in unmittelbarer Nähe zu ihm und seiner Frau Siri. Ich war hingerissen, und als er dann auch noch einen Eintrag in ein rotes Notizbuch schrieb…

Das Prager Autorenfestival hatte ein Hauptthema, und das war dem Jahr 1968 geschuldet. Es gab Themenabende, Diskussionen und Lesungen. 1968 aus tschechoslowakischer Sicht ist allgemein bekannt, aber dieses Jahr aus russischer und amerikanischer sowie mexikanischer Sicht ist eine andere Baustelle. Für Paul Auster war 1968 ein Jahr, in dem er mit dem Schreiben ein wenig ernst machen wollte. Er war noch sehr jung, und Vietnam stand im Mittelpunkt seines Interesses. Als Pazifist – ebenso wie Michael McClure – sprach er insbesondere von seinen diesbezüglichen Eindrücken. 1968 änderte vieles, und die unfassbaren Ereignisse in Prag ließen niemanden kalt. Die Diskussionen waren teilweise sehr heftig, weil keineswegs alle Autorinnen und Autoren einer Meinung sein wollten. Somit ergab sich die Kuriosität von Zurechtweisungen, eindimensionalen Ansichten und Disputationen.
Souverän wirkten neben Paul und Michael Margaret Atwood und die russische Autorin Elena Schwarz. Die imposanteste Lesung lieferte Günter Kunert ab, der das Publikum zu Lachstürmen reizte.

Nunmehr steht das Jahr 1968 kurzfristig medial im Mittelpunkt. Das Prager Autorenfestival ist über die Allgemeinplätze hinausgegangen, und hat diese Zeit mehrdimensional beleuchtet. Ein Festival, das ich nie vergessen werde. Auf http://www.pwf.cz/en/home-page/ sind einige Videos der Veranstaltung zu sehen.

1 Kommentar:

W hat gesagt…

Nahezu zum ersten Mal persönliche Eindrücke und Einblicke in das Leben des Literaturexperten,